Alice Christians - Schleswig-Holstein und Japan

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Alice Christians

1955-1994
Alice Christians
Nach fast 50 Jahren Aufenthalt in Japan und überwiegend in Kobe ist Frau Alice Christians im Januar 2010 in ihre Heimat Schleswig-Holstein zurückgekehrt und lebt jetzt als Rentnerin mit ihrem Mann in Ammersbek, nur wenig entfernt von ihrem Elternhaus in Ahrensburg.
Alice Lüthje wurde im Jahr 1938 in Hamburg geboren und wuchs in Ahrensburg vor den Toren von Hamburg auf. Nach der Mittleren Reife in der Schule in Ahrensburg und nach dem Schulabschluss der Staatlichen Einjährigen Höheren Handelsschule in Hamburg begann sie im Jahr 1956 eine Ausbildung als Stenokontoristin und Export-Sachbear-beiterin in einer Hamburger Firma. Da sie sich eine Tätigkeit im Ausland vorstellen konnte, bewarb sich Alice Lüthje im Oktober 1960 bei einer Hamburger Exportfirma mit Zweigstellen in Japan und wurde auch angenommen. Bereits Anfang 1961 reiste sie nach Japan und trat eine Stellung in einer Zweigstelle in Kobe an; sie hatte sich für drei Jahre verpflichtet.  Ihre primäre Aufgabe als Sekretärin war das Schreiben von Briefen nach Diktat in deutscher, englischer oder spanischer Sprache; japanisch konnte sie noch nicht. In ihrer Freizeit lernte sie die japanische Umgangssprache und die japanischen Silben-schriften Hiragana und Katakana und auch einige Kanji.
In einem deutschen Sprachkurs der Medizinischen Hochschule Kobe las sie mit Studenten Novellen in deutscher Sprache, z. B. „Der spanische Rosenstock“ von Werner Bergengruen und "Die Pfeiferstube" von Paul Alverdes.  Nach Ablauf der drei Jahre kehrte sie im Jahr 1964 nach Deutschland zurück. "Ihr" Professor (Mitte stehend) und einige Studenten gaben für Frau Lüthje (rechts) ein Sukiyaki-Abschiedsessen. Wieder zu Hause arbeitete sie als Sekretärin in einer Hamburger Firma.
 

Im Jahr 1965 heiratete sie Willi Christians, den sie schon in Japan kennengelernt hatte. Er arbeitete in einer deutschen Handelsfirma in Osaka und war zu einem Heimaturlaub und zur Hochzeit nach Hause gekommen; gemeinsam kehrten sie 1965 nach Kobe zurück. Frau Alice Christians wurde Hausfrau, und ihr Mann arbeitete wieder  in seiner Firma in Osaka.  Ihre beiden Kinder Barbara und Stefan sind in Japan geboren. Das Bild rechts  zeigt das Ehepaar Christians in ihrem Garten in Kobe im Jahr 1974, und auf dem Bild links unten sind  ihre Kinder Stefan und Barbara zu sehen.
Eines Tages Anfang des Jahres 1980 fragte ein Chirurg für Orthopädie der Universitätsklinik Kobe, ob Frau Christians deutsche Gesundheitsschuhe nach Japan bringen könnte, da Japaner und besonders Japanerinnen häufig Fußprobleme haben. Frau Christians nutzte einen Heimaturlaub, um eine Schuhmesse in Hamburg und die Bundesfachschule für Orthopädie-Schuh-technik in Hannover zu besuchen, und sie beschloss, eine Firma für den Import von Gesundheitsschuhen zu gründen. Das war allerdings leichter gesagt als getan, denn auch die Einfuhr von Schuhen war in Japan durch das für Ausländer schwer zu durchschauende und zu überwindende Netz von nichttarifären Importbeschränkungen (non tariff barriers) begrenzt.
Mit Unterstützung der Deutschen Industrie- und Handelskammer in Tokyo und mit einem Begründungsschreiben des Professors aus Kobe und ausgestattet mit einigen „Musterschuhen“ erhielt Frau Christians eine Einladung zu einem Gespräch in dem legendären MITI – Ministry of International Trade and Industry – in Tokyo, an dem auch ein Vertreter des japanischen Schuhverbandes teilnahm. Nach einigen Wochen erhielt sie den Bescheid, dass sie als „Sondermitglied“ in den japanischen Schuhverband aufgenommen wird und eine Lizenz mit einer Quote zum Import von Schuhen erhält; Frau Christians konnte also ihren Schritt in die Selbständigkeit wagen. Dafür brauchte sie ein Visum für "Permanent Residency", das sie rechtlich den Japanern gleichstellte, allerdings ohne Wahlrecht.
Im Jahr 1984 gründete Frau Christians zusam-men mit der Frau des Orthopädie-Professors und deren Nichte in dem kleinen Städtchen Ashiya etwa auf halber Strecke von Kobe nach Osaka das Schuhgeschäft "ARISU NO KUTSU" (Alice Schuhe) für den Verkauf von deutschen Gesund-heitsschuhen mit der Möglichkeit für eine Beratung durch eine Orthopädieklinik.

Drei Jahre später, im Mai 1987, eröffnete Alice Christians in Kobe das Schuhgeschäft „K.K. Alice, Import, Groß- und Einzelhandel mit Gesund-heitsschuhen“ mit japanischen Verkäuferinnen und einem deutschen Orthopädie-Schuhmacher-meister mit einer mit deutschen Maschinen und Materialien komplett ausgestatteten Werkstatt.
Der Meister musste im Kontakt mit Kundinnen - als Kennzeichen eines Arztes -  einen weißen Kittel tragen, da es für japanische Frauen „unschicklich“ war, einem Fremden, der kein Arzt ist, die Füße zu zeigen.

Zur Vorbereitung für den geplanten Bau einer Fachschule für Orthopädieschuhtechnik nach deutschem Vorbild erhielt Frau Christians  1993 den Auftrag, in der Stadt Tokorozawa in der Präfektur Saitama etwa 30km nordwestlich von Tokyo  einen 14tägigen Lehrgang mit zehn japanischen Prothesen- und Orthesenherstellern zur Anfertigung von orthopädischen Schuhen  mit deutschen Maschinen und Materialien durchzuführen. Obwohl das Seminar erfolgreich verlief, kam das Projekt nicht zustande, weil sich zwischenzeitlich die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen verändert hatten.

Frau Christians war in die „deutsche Community“ in Kobe und auch in Tokyo gut eingebunden. Bereits im Jahr 1981 nahm sie den Deutsch-Unterricht mit etwa 10-15 Studenten der Medizinischen Hochschule Kobe wieder auf. Jährlich organisierten die Studenten dreitägige Seminare außerhalb von Kobe, um sich intensiv auf die unter den Universitäten in Kobe ausge-tragenen Deutsch-Redewettbewerbe vorzubereiten; die Wettbewerbe und die Preisverteilungen, begehrte Deutschland-Reisen, organisierte das Goethe-Institut in Kyoto. Das Bild rechts zeigt eine Gruppe von Studenten der Universität Kobe nach dem Redewettbewerb  mit ihrem Professor und den beiden Preisträgern.
Frau Christians  gab Deutsch-Unterricht für die Japanisch-Deutsche Gesellschaft Kobe (1986-1988). Außerdem unterrichtete  sie medizinisches Deutsch an der Medizinischen Universität Kobe von 1986 bis 1998. Von 1987 bis 2005 war sie als Beraterin Direktoriumsmitglied der International Hospital and Medical Services Association Kobe. Diese Institution unterstützte im Krankheitsfall in finanzielle Not geratene in Kobe lebende Ausländer und Seeleute.
Frau Christians war zwei Jahre (1989-1990) Vorstandsmitglied der Deutschen Industrie- und Handelskammer in Tokyo und von 1991 bis 1993 und wieder von 1996 bis 2000 Vizepräsidentin der Kammer. Im Jahr 1996 hat Frau Christians auf einer Veranstaltung des  APA (Asien-Pazifik-Ausschuß der deutschen Wirtschaft) in Hamburg einen Vortrag zum Thema „Welchen Anforderungen müssen Konsumgüterexporte entsprechen, um in Japan erfolgreich zu sein“  gehalten, und in einschlägigen Publikationen wie z.B. „Der Taifun – Japan und die Zukunft der deutschen Industrie“ von Folker Streib und Meinolf Ellers (Hoffmann und Campe 1994) und „Deutschland und Japan im globalen Wettbewerb“ von Bodo Wilmes (Physika-Verlag 1996) wurde die Firma K.K. Alice als ein erfolgreiches Beispiel aus dem Bereich der Konsumgüter auf dem japanischen Markt erwähnt.
Im Jahr 1993 wurde Frau Alice Christians von Bundespräsident Richard von Weizsäcker das Bundesverdienstkreuz verliehen, das durch den stellvertretenden deutschen Generalkonsul Gerold Amelung in Kobe ausgehändigt wurde. Eine weitere besondere Ehrung wurde Frau Christians zuteil, als sie bei einem Empfang anlässlich des Besuches von Bundespräsident Roman Herzog in Japan im Jahr 1997 vom deutschen Botschafter Heinrich-Dietrich Dieckmann dem japanischen Kaiser Akihito vorgestellt wurde.
Im Jahre 2009 gab Frau Christians ihre Tätigkeit in Kobe auf und beendete auch alle sonstigen beruflichen und ehren-amtlichen Aufgaben und kehrte mit ihrem Mann in die Heimat Schleswig-Holstein zurück; sie leben jetzt in Ammersbek. Die Verbindungen mit Japan hat sie nie ganz aufgegeben. So hat Frau Christians in den ersten Jahren in der Volkshochschule Ahrensburg japanische Sprachkurse belegt und besuchte Ausstellungen und Veranstaltungen über Japan im nahe-gelegenen Hamburg. Außerdem hat sie von 2014 bis 2018 für die Volkshochschule Ahrensburg und für weitere Institutionen Vorträge mit Bildern über ihr Leben in Japan gehalten.
 
 
zuletzt aktualisiert am 22. August 2022
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